Marie-Luise Lange & Jeroen Singer zu Prekaria

Marie-Luise Lange & Jeroen Singer zu Prekaria Marie-Luise Lange & Jeroen Singer zu Prekaria Marie-Luise Lange & Jeroen Singer zu Prekaria
Heidechor Königshofen mit Chorleiter Stefan Lindner, Bilder: Studio Prekär

Marie-Luise Lange und Jeroen Singer mussten ihre Arbeitsgewohnheiten nach ihrem gemeinsamen Umzug auf einen Hof in Ostdeutschland ändern - daraus entstand schliesslich die Idee zur Video-Oper PREKARIA, die im Rahmen des STEO Wettbewerbs zu "Scheitern oder Gelingen" umgesetzt wird:

Was hat euch an der Ausschreibung angesprochen?

Sie passte ausgesprochen gut in den Kontext unserer aktuellen Arbeits- und Lebenssituation. Unsere Biografien haben viel zu tun mit Wollen und Probieren, mit Hoffnung und Enttäuschung. Wobei Enttäuschung ja gut ist: sie zwingt einen, die Realität zu überprüfen. Dies ist zentral, um Konstanz in der Arbeit zu erreichen.

 
Welche Folgen hatte euer Umzug?

Wir leben nun in einem 800-jährigen Dorf mit 900 Einwohnern. Es tut sich nicht viel und trotzdem ist es stark beeinflusst von der Geschichte in Mitteldeutschland. Denker wie Goethe, Schiller, Nietzsche haben alle in diesem Raum gelebt. Die Leute sind alle Selbstversorger und begegnen uns mit einer grossen Herzlichkeit. Trotzdem war der Bruch, Zürich für den Moment hinter uns zu lassen, so tiefgreifend, dass wir unsere Routinen aufgeben mussten. Es entstand eine Dringlichkeit für’s Arbeiten, die anders gelöst werden musste. Wir haben angefangen mit Material, das wir auf dem Hof vorfanden zu arbeiten. Diese Zusammenarbeit brachte eine neue Form des Austausches und war eigentlich mit der Edition Prekär das Gründungsmoment des „Studio Prekär“.

Das Nachfolgeprojekt ist die PREKARIA, die uns wiederum ein ganz anderes Schaffen ermöglicht. Durch die Oper können wir mit Menschen vor Ort in Kontakt treten. Im Prozess lernen wir, Kontrolle abzugeben, als Auftraggeber aufzutreten und Material im Dazwischen entstehen zu lassen. Uns interessiert das ständige Verhandeln. Wir wollen den Chor herausfordern, sich mit etwas Neuem auseinander zu setzen. Und wir schaffen damit einen Raum, in dem alle die Möglichkeit haben, zu sagen, was sie sagen wollen.

 
Wie entwickelt sich die Oper?

Wir beschäftigen uns intensiv mit der Auswahl der Inhalte, die wir weitergeben – was genau geben wir dem Komponisten zum vertonen? Wir haben uns entschieden den Chor das Stasi-Abkürzungsverzeichnis singen zu lassen: von A-Z aus den Stasiakten. Wir wollten zuerst Auszüge aus den Interviews singen lassen, aber die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema hat uns zu diesem Index geführt – gesungen wird nun etwas Abstraktes, das aber eine sehr grosse Bedeutung hat.

 
Was drückt die Oper am Ende aus?

Entstehen soll ein vielstimmiges und intensives Werk, was Bilder, Geräusche, Menschen und Geschichten angeht. Wir beschäftigen uns gründlich mit der Auswahl der Inhalte und können wiederkehrende Themen aufspüren. Zum Beispiel bestimmte Lebensverhältnisse – so scheint es für manche Leute schwierig zu sein, in der heutigen Zeit anzukommen oder mit der Vielfalt an Gütern umzugehen. PREKARIA wird aus einer geballten Ladung von Meinungen und Betrachtungsweisen historischer und gegenwärtiger Ereignisse bestehen. Zugleich enthält unsere Oper eine Reflexion über persönliche Geschichten.